Nutzen von Achtsamkeit im Projektmanagement

Allen mir bekannten Definitionen von Projekten ist die zeitliche Befristung eines Projektes und die Einmaligkeit gemeinsam. Zumindest aus der zeitlichen Befristung, häufig noch aus weiteren bestimmenden Projektparametern, resultiert regelmäßig die Situation, dass Projektmitarbeiter “auf dem Sprung” sind und sich von Umstände die auf sie einwirken bestimmen lassen. Man fühlt sich dann in Projekten getrieben von den äußeren Bedingungen und verliert das Bewusstsein für seine eigenen Steuerungsmöglichkeiten. Daher nimmt in Projekten die Anzahl der ausgebrannten und nervösen Mitarbeiter analog zum Rest der Arbeitswelt stetig zu.

Stellen Sie sich folgende Situation vor; Sie arbeiten an einer Projektaufgabe, da kommt eine Email rein oder Sie erreicht eine Chat-Nachricht, dann wollen Sie wissen, was da drin steht. Und es ist sehr schwer, diesem Impuls zu widerstehen. Wenn wir diesem Reiz nachgeben und diesem Stimulus folgen, dann verlieren wir unsere langfristigen Ziele, nämlich in diesem Fall die Erledigung der Projektaufgabe, aus dem Auge und wir fangen an unsere Arbeit zu zerstückeln. Eine Möglichkeit ist die verwendeten Kommunikationskanäle (Email Client, Telefon, etc.) so zu konfigurieren, dass man über den Erhalt der Nachricht nicht informiert wird, also Benachrichtigungen deaktivieren. Das kann auch funktionieren, kann aber manchmal nicht möglich sein. Außerdem ist es nur ein Pflaster auf die Auswirkungen eines ganz grundsätzlichen Problems unseres Projektalltags, nämlich der Anforderung mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten.

Dieses Multitasking (Parallelverarbeitung) überfordert uns, da unser Gehirn dafür nicht geeignet ist. Im Gehirn gibt es Systeme, die aktiv werden, wenn wir unter Stress sind und getrieben werden und es gibt Systeme, die aktiv werden, wenn wir innehalten können. Wenn wir getrieben werden, dann sind es meistens die sogenannten Belohnungszentren, die auf die nächste schnelle Lustbefriedigung warten. Dem gegenüber steht eine Fähigkeit des Menschen, die uns in die Lage versetzt, erstmal innezuhalten und zu überlegen, was will ich jetzt im Moment wirklich. Anhand dieser neuronalen Architektur wird klar: Unser Projektalltag reizt einseitig die Triebsysteme im Gehirn, zu kurz kommt dabei das Areal, das zuständig ist für Planung, Selbstkontrolle und Selbstbestimmung.

Die genannten Systeme befinden sich in Konkurrenz zueinander und wir müssen uns aktiv für die Nutzung des zweiten Systems entscheiden, sonst übernimmt immer der auf kurzfristige Erfolge programmierte Bereich. Das für das Nachgeben verantwortliche Hirnareal ist wie ein “kleines Kind”, das nur spontan ein Geschehen oder ein Ereignis emotional bewerten kann. Es kann nicht über den Tag hinausdenken, es ist eingebunden in die Reiz-Reaktionsstruktur. Erst wenn dieses System ergänzt wird, wird aus dem “kleinen Kind” ein vernünftiger Mensch, der seine Handlungen etappenweise plant.

Das Hirnsystem, das immer dann aktiv wird, wenn wir eine breite unruhige Aufmerksamkeit haben, ist wahrscheinlich evolutionär entstanden, als wir in der Savanne waren und permanent mit Gefahren rechnen mussten. Es ist eine Unruhe, die uns zwingt, die Umwelt ständig abzuscannen. Das ist der Savannenmodus. Heute sieht der so aus: Was muss ich morgen tun, was darf ich nicht vergessen, hab ich meinen Statusbericht erstellt, den Lenkungsausschuss informiert. In Experimenten hat man in den letzten Jahren herausgefunden, dass wenn Menschen trainiert werden, Multitasking zu machen, also permanent im Savannenmodus zu sein, die Fähigkeit abnimmt, konzentriert bei einer Sache zu bleiben und ein Problem zu lösen. Die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, kann nur dann zunehmen, wenn wir die Ruhe und Muße haben, uns mit einer Sache zu beschäftigen. Weniger ist also mehr!

Und das hat nicht nur mit der begrenzten Kapazität des Arbeitsspeichers im Kopf zu tun, sondern auch mit der Architektur der Aufmerksamkeitssysteme. Das Gehirn braucht sehr lange, um sich auf eine neue Aufgabe einzustellen, das kann bis zu 15 Minuten dauern. Wenn wir uns also ständig unterbrechen lassen, müssen wir uns immer wieder neu darauf einstellen, das ist eine sehr ineffektive Form des Arbeitens.

Aber wie können wir in Projekten wieder Freiräume für Kreativität und Selbstzufriedenheit zurückerobern? In diesem Kontext kommt das Prinzip der Achtsamkeit ins Spiel, die dem zerstreuten Ich wieder Konzentrationsfähigkeit, Muße und Intensität ermöglicht.

Das eine ist, dass ich mit meiner Aufmerksamkeit in der Gegenwart bin, ich überlege nicht, was passiert alles noch, was muss ich alles noch tun oder wie war es gestern, ich bin präsent im Hier und Jetzt. Das zweite ist, dass man eine akzeptierende Grundhaltung einnimmt, Dinge und Ereignisse, die einem entgegenkommen oder passieren schaut man offen und neugierig an, mit einer Haltung, als mache man das zum ersten Mal, so. Man unterbricht den automatischen Reiz-Reaktionsmechanismus, und ich begebe mich in eine innere Ruhe und schaue auf die Impulse, die aus mir kommen.

Wer das schafft, der ist nicht mehr fixiert auf die Zukunft, auf das Zu- Erledigende, die Hektik, die Reize, sondern auf innere Konzentration, Ruhe, Aufmerksamkeit und Ausgeglichenheit – Kompetenzen und Haltungen. Und wie sieht Achtsamkeit genau aus, wie lässt sie sich in das Projekt integrieren?

Gerade in hektischen Phasen der Projekte, sind wir stark eingespannt, Bearbeiten von Emails, Teilnahme an Besprechungen, etc.. Ich ertappe mich dann dabei, wenn ich zum Besprechungsraum und zurück hetze. Eine Möglichkeit ist dann, auf meine Schritte zu achten, renne ich, gehe ich langsam, und spüre in meinen Körper rein, das macht mir den Druck bewusst und nimmt ihn manchmal sogar heraus.

Ein weiteres Hilfsmittel ist für mich ein kleiner Zettel an der Tastatur meines Laptops mit einer kurzen Innehalten-Übung. Dieser Zettel erinnert mich beim Arbeiten oder in Besprechungen daran, nicht ungeduldig mit mir und anderen zu werden. Auf dem Zettel steht:

Bewusst innehalten
Körper wahrnehmen
Erden und aufrichten
Spannungen lösen
Atem beobachten

Diese Unterbrechung von 30 Sekunden, diese Phase der Selbstreflexion kann den Stress unterbrechen.

Auch Meditations- und Entspannungsübungen helfen dabei, gestresste Projektmitarbeiter aus dem “Savannenmodus” herauszuholen. Mediation ist eine Konzentrationsübung, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit werden dabei geschult. Es geht darum, sich selbst wahrzunehmen, die Kommunikation mit uns selbst und unseren Körper wieder herzustellen, die wir häufig verloren haben in unserem Alltag, durch Fremdsteuerung, durch die Zerstreuung unseres Geistes. Ist der Geist beruhigt, wird die Kraft nicht länger zerstreut sein.

Mit dem Achtsamkeitsmodell sind also zwei zentrale Strategien verbunden:

Distanzierung von den eigenen Impulsen, also Selbstreflexion,
und damit einhergehend kognitive Neubewertung.

Wer sich aus der Hektik des Projektalltags für Minuten herausnimmt, wer sein rationales Steuerungszentrum im Gehirn aktiviert, distanziert sich von seinen Trieben, macht sich frei  und kann dann eingefahrene Verhaltensmuster neu bewerten.

About t_bormuth

Ich bin seit über 20 Jahren in Projekten tätig und beschäftige mich sowohl mit fachspezifischen, als auch mit gesellschaftlichen Themen in diesem Kontext. Ich arbeitet als ganzheitlicher Coach im Unternehmenskontext für Projekt- und Programmmanager. Ganzheitlich bedeutet dabei für mich die Einbindung der gesamten relevanten Situation des Coachees, beruflich wie privat. Ich greife dabei auf Ausbildungen und entsprechende Zertifizierungen in den Bereichen Projektmanagement, Achtsamkeit (Mindfulness), Coaching und Psychotherapie zurück. In meiner Arbeit kombiniere ich Konzepte und Methoden aus allen diesen Bereichen entsprechend den individuellen Anforderungen der Klienten.
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