Im letzten (zweiten) Teil der Artikel-Serie wurden die Auswirkungen von Konflikten auf Projekte und der Umgang mit Ihnen im Verlauf betrachtet. Im nächsten Schritt sollen Konfliktmanagement-Anteile in der Projektmanagementausbildung betrachtet werden. Um sich dem Thema zu nähern sollen zunächst zwei PM-Standards mit ihren jeweiligen Bezügen zum Konfliktmanagement beleuchtet werden.
PM-Standards
PM-Standards legen Vorgehensmodelle für die Arbeit in Projekten fest. Es gibt weltweit verschiedene Standards, sie unterscheiden sich in ihrer Perspektive auf die Projektarbeit und im Rahmen dieser Arbeit werden zwei Standards für die Untersuchung herangezogen, die ICB 4.0 der IPMA und das PMBOK in der siebten Ausgabe der PMI. Standards liefern die Basis für das Verständnis des Projektmanagements und wie Projektziele erreicht werden sollen (PMI Inc, 2021, S. 3). Standards sind Branchen-, Standort- und Größen- unabhängig. Der Ansatz des Vorgehens kann zum Beispiel plangetrieben, hybrid oder iterativ sein. Die Vorgehensmodelle beschreiben das Umfeld und das System, in dem Projekte durchgeführt werden. Das beinhaltet auch Führungskonzepte und die Einteilung von Funktionsbereichen der Projektumgebung und die Beziehung zwischen Projekt und der Linienorganisation.
Konfliktmanagement in der ICB 4.0
Die IPMA definiert in dem ICB 4.0 PM-Standard die Kompetenz „Konflikte und Krisen“ als eine der 28 in Projekten benötigten zentralen Kompetenzen. Die Kompetenz „Konflikte und Krisen“ wird dort folgendermaßen definiert: „Zur Kompetenz Konflikte und Krisen gehört das Abmildern oder Lösen von Konflikten und Krisen durch hohe Aufmerksamkeit für das Umfeld und die Fähigkeit Abhilfe für Meinungsverschiedenheiten zu erkennen und anzubieten“ (GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., 2017, S. 89).
Das IPMA Ausbildungssystem hat vier Level – Level A, B, C und D (GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., 2019, S. 32). Das Level D ist schwerpunktmäßig auf Wissen über die Kompetenzen bezogen. Die Erwartung an den Projektleiter in der Ausbildung steigert sich dann bis zum Level A, für das die Fähigkeit zur Führung in sehr komplexen Projekten auf strategischer Ebene erwartet wird. In der nachfolgenden Abbildung werden die erwarteten Bloom-Stufen für die Kompetenzen des Bereichs People für die vier Zertifizierungslevel dargestellt.
Im Fall der Kompetenz Konflikte und Krisen bedeutet die Bloom-Stufe 2 für das Level D, den Inhalt verstanden zu haben (GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., 2020, S. 12). Diese Anforderung steigert sich bis zum Level A für dessen Erreichen die Beurteilung der Modelle und Lösungen auf Zweckmäßigkeit und Stimmigkeit für die jeweiligen Situationen erwartet wird.
Inhaltlich vermittelt die Ausbildung zur Kompetenz „Konflikte und Krisen“ die Themengebiete, Definition von Konflikt und Krise, Konfliktursachen, Konflikteskalation nach Glasl und Handlungsstrategien im Konfliktfall inklusive der kooperativen Handlungsstrategie in der jeweiligen Tiefe des angestrebten Levels (Schulz, 2020, S. 172–177).
Konfliktmanagement im PMBOK Seventh Edition
Das PMBOK der PMI bietet Projektleitern in der siebten Edition die Nutzung eines auf der Arbeit von Ken Thomas und Ralph Kilmann basierenden Konfliktmodells an (PMI Inc, 2021, S. 168–169). Dieses beschreibt insgesamt sechs Möglichkeiten für den Umgang mit Konflikten unterschieden durch die Bewertung der relativen Macht zwischen den Konfliktbeteiligten und deren Wunsch, eine gute Beziehung aufrechtzuerhalten. Diese sechs Handlungsstrategien sind Konfrontation/Problemlösung, Kooperation, Kompromiss, Besänftigung/Entgegenkommen, Zwang und Rückzug/Vermeidung.
Allerdings ist das Modell im Handbuch der PMI lediglich im Kapitel „Andere Modelle“ zu finden und daher nicht als zentrales Thema der Ausbildung platziert (PMI Inc, 2021, S. 155). Die Darstellung als Modell gibt auch nur einen Überblick auf hoher und abstrakter Ebene.
Mehrwert für Projekte
Wie in den vorangegangenen Kapiteln beispielhaft für zwei PM-Standards dargestellt, ist die Vermittlung von Konfliktmanagement-Kompetenz in unterschiedlicher Gewichtung Teil der Projektleiter-Ausbildung. Glasl ist der Meinung, dass Menschen, und damit auch Projektleiter und Projektmitarbeiter, die in Konfliktsituationen angemessen agieren, in der Lage sind, einen Beitrag zum konstruktiven Umgang mit Differenzen, Spannungen und Konflikten für die Organisationen leisten zu können (Glasl, 2022, S. 10). Durch eine starke Gewichtung von Konfliktmanagement-Kompetenzen in der Ausbildung von Projektleitern könnte eine positive Wirkung für Projekte einhergehen, denn die positive Bearbeitung von Konflikten eröffnet Chancen der Weiterentwicklung.
Literatur
Glasl, F. (2022). Selbsthilfe in Konflikten: Konzepte – Übungen – Praktische Methoden (9. Auflage, erweiterte Ausgabe, revidierte Ausgabe). Freies Geistesleben.
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (2017). Individual Competence Baseline für Projektmanagement (1. Aufl.). IPMA Global Standard. GPM, Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (Hrsg.). (2019). Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4): Handbuch für Praxis und Weiterbildung im Projektmanagement (1. Auflage). GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (2020). Leitfaden für die Zertifikanten Level D-A: Allgemein. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. https://www.gpm-ipma.de/fileadmin/user_upload/Zertifizierung/Projektmanagement/Z01_PM_Leitfaden_Allgemein_ICB4.pdf
PMI Inc. (2021). Der Standard für das Projektmanagement (7. Aufl.). PMI global standard. Project Management Institute, Inc.
Schulz, M. (2020). Projektmanagement: Zielgerichtet, effizient, klar : Begriffe, Methoden und Vorgehensweisen der ICB 4.0 für “Basiszertifikat im Projektmanagement (GPM)” und “Certified Project Management Associate (IPMA® Level D)” (2., überarbeitete und erweiterte Auflage). UVK Verlag; Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG.