Konfliktmanagement in der PM-Ausbildung – Vierter Teil: Vorgehensweise zur Konfliktlösung

Im letzten (dritten) Teil der Artikel-Serie wurden Konfliktmanagement Komponenten als Teil der Projektmanagementausbildung in den PM Standards IPMA und PMI beleuchtet. Im nächsten Schritt soll die konkrete Vorgehensweise zur Konfliktlösung anhand der kooperativen Konfliktlösung in Projekten beschrieben und anhand eines konkreten Projektbeispiels verdeutlicht werden.

Kooperative Konfliktlösung als Handlungsstrategie in Projekten

Nachfolgend soll das Modell der kooperativen Konfliktlösung beschrieben werden. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Konfliktparteien an einer gemeinsamen Lösung mitarbeiten, Ziel ist das Erreichen einer Win-Win-Situation (GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., 2019, S. 831). Das Vorgehen orientiert sich an dem Phasenmodell der Mediation und wird von einer dritten Person begleitet, dem Mediator. Wenn der Projektleiter selbst nicht in den Konflikt involviert ist, von allen Parteien akzeptiert ist und allparteilich bleibt, kann er selbst als Mediator den Konflikt begleiten, wenn er mit der Vorgehensweise vertraut ist (Straube et al., 2008, S. 127).

Phasen kooperative Konfliktlösung

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schulz, 2020, S. 177

Die Vorgehensweise hat verschiedene Vorteile, beispielsweise arbeitet sie zukunftsorientiert, ist kreativ und die Konfliktparteien können im Anschluss weiter zusammenarbeiten (Vock, 2004, S. 16). Für das Gelingen des Prozesses müssen gemeinsame Spielregeln, wie z.B. gegenseitiger Respekt, Offenheit und Wahrhaftigkeit, vereinbart werden. Die wichtigste Regel lautet jedoch, dass die Teilnahme für alle Beteiligten freiwillig erfolgt.

Phase 1 („Mediation eröffnen“): Zu Beginn der Sitzung/des Prozesses werden das Vorgehen und die Spielregeln gemeinsam vereinbart und das oder die konkreten Anliegen geklärt (Vock, 2004, S. 17).

In der Phase 2 („Informationen sammeln“) stellen die Konfliktparteien jeweils das Anliegen aus ihrer Perspektive dar (Vock, 2004, S. 17). Bei Bedarf können von der begleitenden Person Fragen zum Sachverhalt, der Konfliktentstehung, wo Übereinstimmung bzw. Dissens liegen und ggf. ob bereits Lösungsvorschläge vorgelegt wurden, gestellt werden. Der Fokus liegt darauf, für die Entscheidung erhebliche Tatsachen, erkennbare Konfliktmuster und emotionale Stimmungen herauszuarbeiten und visuell aufzubereiten.

In der darauffolgenden Phase 3 („Bedürfnisse klären“) liegt die Aufmerksamkeit auf den Interessen, Bedürfnisse und Emotionen (Vock, 2004, S. 17). Die Aufgabe der Prozessbegleitung liegt in dieser Phase darin, dass Argumente und Perspektiven von der jeweils anderen Partei verstanden werden, es muss keine Zustimmung erreicht werden. Die Vorbehalte, Interessen und Bedürfnisse werden vom Mediator wieder dokumentiert.

In Phase 4 („Lösungen vorbereiten“) sammeln die Beteiligten Lösungsideen auf Basis der geoordneten und visualisierten Interessen (Vock, 2004, S. 17). Die Sammlung kann z.B. durch Brainstorming oder Mindmapping erfolgen, der Mediator bleibt weiterhin neutral und unterstützt bei Bedarf lediglich durch Hilfsfragen (Straube et al., 2008, S. 145).

In der abschließenden Phase 5 („Erfolg sichern“) werden die gefundenen Lösungen auf ihre Praxistauglichkeit und schnelle Umsetzungsmöglichkeit hin untersucht, bewertet und mit den Interessen der Konfliktparteien abgeglichen (Vock, 2004, S. 17). Die Entscheidung für eine Lösung wird dann vom Mediator dokumentiert und den Parteien unterschrieben. Sind mit der Umsetzung Vertragsänderungen oder eine -erweiterung verbunden, sollten in dieser Phase Juristen einbezogen werden.

Diese Vorgehensweise ist zeitintensiv und verlangt Geduld vom Projektleiter, da der Konflikt mittels Machteinsatzes durch den Projektleiter möglicherweise schneller beendet werden kann. Allerdings wirkt sich eine durch das beschriebene Vorgehen gefundene Lösung langfristig positiver auf das Projekt aus als ein Machtwort des Projektleiters (Straube et al., 2008, S. 115).

Fallbeispiel

Die Vorgehensweise zum Modell soll anhand eines Beispiels aus meiner Erfahrung als Projektleiter veranschaulicht werden. In dem Konflikt ging es zwischen der Bau- und der IT-Abteilung um die Nutzung der jeweiligen Abteilungsvorlage zur Kostenverfolgung in einem gemeinsamen Projekt. Als externer Projektleiter stand ich der verwendeten Vorlage neutral gegenüber. Der Auslöser des Konflikts lag im Ressortdenken der beteiligten Parteien. Der Versuch der Herbeiführung einer Entscheidung auf Basis sachlicher Argumente durch den Projektleiter schlug fehl. Differenzen aus der Vergangenheit bestimmten den Konflikt und die eigentliche Sachfrage geriet in den Hintergrund. Es war also von einem Beziehungskonflikt auszugehen.

Daher entschloss ich mich, Vertreter der beiden Abteilungen zu einem gesonderten Abstimmungstermin zu dem Thema einzuladen. Durch die Annahme der Einladung und die Aufnahme des Gespräches war der erste Schritt zur kooperativen Konfliktlösung getan. Für den Termin wurde ausreichend Zeit für das Erreichen eines Ergebnisses eingeplant. Als Besprechungsraum wurde ein Raum im Bereich der Geschäftsleitung ausgewählt, sodass kein Raum von den beteiligten Abteilungen genutzt und eine gewisse Bedeutung des Themas an die Teilnehmer transportiert wurde. Nach einer Einführung in das Thema durch mich und der Darstellung der Vorgehensweise der kooperativen Konfliktlösung bestätigten beide Parteien den Willen, zu einer einvernehmlichen Lösung beitragen zu wollen. Das gemeinsame Ziel war eine Entscheidung bezüglich der im Projekt verwendeten Vorlage zur Kostenverfolgung. Als Projektleiter konnte ich inhaltlich zur Diskussion nichts beitragen, ich übernahm aber die Verantwortung für den Prozess.

Damit konnte die zweite Phase beginnen, die Sammlung der Informationen durch beide Konfliktparteien. Alle Informationen und die Gründe für die Nutzung der jeweiligen Vorlage wurden an einer Flipchart für alle sichtbar dokumentiert. Ich achtete darauf, dass beide Seiten gleiche Anteile an der Diskussion hatten und respektvoll miteinander umgegangen wurde. Dadurch entspannte sich während der Sammlung der Argumente etwas die Beziehung zwischen den Konfliktparteien.

Die dahinterliegenden Bedürfnisse der beteiligten Konfliktparteien wurden in der dritten Phase des Prozesses identifiziert. Aufgrund der gelösteren Stimmung konnte dieser Prozess gemeinsam durchgeführt werden. Es zeigte sich, dass die Bedürfnisse beider Abteilungen im Wesentlichen in der Vermeidung von Mehrarbeit und Überlastung aufgrund von zusätzlichen Verwaltungsarbeiten lagen.

In der vierten Phase wurden verschiedene Lösungen in einem Brainstorming gesammelt und am Flipchart dokumentiert. Es wurden mehrere Optionen identifiziert, manche mehr, andere weniger praktikabel. Die größte Herausforderung in dieser Phase lag für mich darin, darauf zu achten, dass während der Sammlung auf direkte Bewertungen der Ideen verzichtet wurde.

Aus den identifizierten Lösungsoptionen wurde in der fünften Phase eine von beiden Seiten akzeptierte und als optimal empfundene Lösung ausgewählt. Es soll eine neue Vorlage verwendet werden, die alle Felder aus beiden Vorlagen der Abteilungen beinhaltet, und die Abteilungen sind jeweils nur für die Pflege ihrer Attribute zuständig. Somit erhöht sich der Arbeitsaufwand für beide Parteien nicht, und trotzdem profitieren die Abteilungen auch von den Inhalten der jeweils anderen Abteilung. Die Akzeptanz der Lösung sowohl durch die Bau- als auch durch die IT-Abteilung wurde von mir im Protokoll vermerkt und von allen Teilnehmern schriftlich bestätigt.

Literatur

GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (Hrsg.). (2019). Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4): Handbuch für Praxis und Weiterbildung im Projektmanagement (1. Auflage). GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.

Schulz, M. (2020). Projektmanagement: Zielgerichtet, effizient, klar : Begriffe, Methoden und Vorgehensweisen der ICB 4.0 für “Basiszertifikat im Projektmanagement (GPM)” und “Certified Project Management Associate (IPMA® Level D)” (2., überarbeitete und erweiterte Auflage). UVK Verlag; Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG.

Straube, R., Leuschner, H. & Müller, P. (2008). Konfliktmanagement für Projektleiter [Strategien zur Lösung und Vermeidung von Konflikten ; in schwierigen Situationen den Projekterfolg sichern ; auf CD-ROM: bewährte GPM-Tools für effektives Konfliktmanagement]. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG.

Vock, A. (2004). Projektmanagement in einem mediativen Kooperationsmodell für das Anlagengeschäft. Projektmanagement aktuell, 15(2), 13–19.

About t_bormuth

Ich bin seit über 20 Jahren in Projekten tätig und beschäftige mich sowohl mit fachspezifischen, als auch mit gesellschaftlichen Themen in diesem Kontext. Ich arbeitet als ganzheitlicher Coach im Unternehmenskontext für Projekt- und Programmmanager. Ganzheitlich bedeutet dabei für mich die Einbindung der gesamten relevanten Situation des Coachees, beruflich wie privat. Ich greife dabei auf Ausbildungen und entsprechende Zertifizierungen in den Bereichen Projektmanagement, Achtsamkeit (Mindfulness), Coaching und Psychotherapie zurück. In meiner Arbeit kombiniere ich Konzepte und Methoden aus allen diesen Bereichen entsprechend den individuellen Anforderungen der Klienten.
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