Stolpersteine bei UC Realisierungen in Unternehmen (Teil 2)

Im ersten Teil der Serie ging es schwerpunktmäßig um die Projektorganisation für eine erfolgreiche Projektdurchführung. In diesem zweiten Teil stehen die inhaltlichen Themen bei Unified Communications Implementierungsprojekten in Unternehmen im Vordergrund.

Themenschwerpunkte

Schauen wir uns also die inhaltlichen Themen eines UC Implementierungsprojektes etwas genauer an, was muss in einem solchen Projekt alles berücksichtigt werden? Da es sich um eine große Anzahl von Themen handelt, hat es sich bewährt diese horizontal in drei Bereiche einzuteilen. Nämlich in Themen, die die Plattform, also die Basis, von UC Lösungen betreffen, in Themen die die Lösungen selbst betreffen und in den organisatorischen und prozessualen Bereich. Alle drei Bereiche müssen für eine erfolgreiche UC Implementierung betrachtet werden und umfassen technische, gesetzliche, finanzielle und kulturelle Aspekte. Diese vier Bereiche können als vertikale Einteilung der Themen verwendet werden, so dass die Darstellung eine Matrix ergibt. Damit erhalten wir eine recht vollständige Themenlandkarte für UC Implementierungsprojekte.

Auf die einzelnen Punkte, die die eigentlichen „Stolpersteine“, bzw. zu berücksichtigen Themen, darstellen, wird nun im Detail genauer eingegangen. Da die einzelnen Themen nicht 1:1 nur einem horizontalen Bereich zugeordnet werden können, sie betreffen meist mehrere Bereiche, wird die Aufzählung der Themen anhand der horizontalen Einteilung dargestellt.  Bei allen dargestellten Themen geht es zum einen um die Berücksichtigung bei einer Bestandsaufnahme im Rahmen der IST-Analyse und zum anderen auch um die strategische Ausrichtung des Unternehmens für die Zukunft.

Technische Themen

Fangen wir mit den technischen Punkten an:

  1. Verkabelung; welche Art von Signalen sollen übertragen werden (DECT, analoge Signale, IP Netzwerkverkehr), Kabellängen gilt es zu berücksichtigen, aber auch immer wichtiger werden kabellose Verbindungen als Alternativen
  2. Netzwerk (entscheidend für die Kommunikationsqualität); dabei müssen Netzstruktur, Bandbreiten, Möglichkeiten zur Nutzung von Merkmalen wie QoS/CoS, existierende und benötigte Netzwerkkomponenten und Sicherheitskomponenten berücksichtigt werden
  3. Cloud Computing (das Betreibermodell); im Vergleich zu On-Premis oder Hybrid Strukturen, an dieser Stelle steht mehr der technische Aspekt im Vordergrund, also die Integrationsmöglichkeiten in die bestehenden Infrastrukturen, allerdings müssen auch Compliance Themen wie später dargestellt berücksichtigt werden
  4. Single Sign-On (der Verzeichnisdienst); nur durch ein sauberes zugrundeliegendes Corporate Directory kann auch das Auffinden der benötigten Ressourcen gewährleitet werden, möglichst mit zugeordneten Wissensgebieten
  5. Virtualisierung; setzen Sie Virtualisierungstechniken strategisch ein und werden diese auch von der zukünftigen Lösung unterstützt
  6. Endgeräte (auch unter dem Gesichtspunkt des Investitionsschutzes); also können diese zumindest zum Teil weiter verwendet werden, es geht dabei um Telefone, Headsets, WebCams, mobile Geräte, Telepresence Räume und Applikationen die auch als Endgeräte angesehen werden können
  7. Telefonie (in der Regel kann kein „grüner Wiese“ Ansatz verfolgt werden); welche Telefonanlagen/PBXen gibt es und sollen diese für wie lange weiterverwendet werden, Übergänge zum PSTN (SIP Trunking, PMX Anschlüsse) müssen betrachtet werden. Ein weiteres Thema ist die Überlebensfähigkeit (häufig Surviabability genannt) von Standorten bei einem WAN Ausfall
  8. Systemmanagement; eine konsolidierte Lösung für alle Bereiche sollte angestrebt werden, insbesondere möglichst mit der Integration eines geeigneten Monitoring-Systems
  9. IM/Präsenz, E-Mail, Conferencing (A/V/ Web), Contact Center; die eigentlichen UC Lösungen, hier spielen die benötigten Funktionalitäten eine entscheidende Rolle, vielleicht kann auch eine Best of Breed Lösung, also ein Mix aus Hersteller in Betracht gezogen werden
  10. CEBP: wo sind Prozesse applikationsgestützt und welche Integrationsmöglichkeiten existieren
  11. Monitoring: wie wird überwacht und was passiert wenn Systemausfälle oder Qualitätseinbußen zu beobachten sind

Finanzielle Themen

Der nächste Bereich sind die finanziellen Aspekte der Kommunikation, dabei sind die eigentlichen Projektkosten weniger im Fokus, sollten aber natürlich immer mitbetrachtet werden:

  1. Managed Service; ist der externe Betrieb günstiger oder teurer, ist es trotzdem strategisch für das Unternehmen gewünscht eine solche Lösung selbst zu betreiben oder gibt es einen preferred Provider für das Unternehmen weil dieser vielleicht schon andere Komponenten mit Abhängigkeiten zur UC Lösung im Unternehmen betreibt
  2. Provider Steuerung (Service Provider, Telefon Provider, Internet Provider); entstehen zusätzliche Kosten durch Zusatzdienste? Welche Einwahl Möglichkeiten gibt es für mobile oder externe Benutzer, welche SLAs werden mit welchen Pönalen belegt, welches Service Konzept mit welchem finanziellen Aufwand wird gewählt
  3. Stromkosten; die Kosten sollen reduziert werden und nicht durch zum Beispiel moderne Tischgeräte mit Farbdisplay und Touch-Bedienung in die Höhe schnellen oder deutlich mehr benötigte Backend Komponenten
  4. Hardware und Lizenzen; die Anschaffung für zusätzlich benötigte Hardware und Lizenzen und deren Wartung muss berücksichtigt werden
  5. Kommunikationskosten; konsolidierte Kosten im Allgemeinen, was kostet das Unternehmen die Kommunikation intern und extern, also eine Kosten Analyse, die Schaffung vertraglicher Rahmenbedingungen muss hier angesiedelt werden auf Basis einer Analyse der bestehenden Verträge, dazu ist eine Abschätzung des zukünftigen Anwenderverhalten notwendig
  6. RfI/RfP; die Prozesse zum Finden des preislich und kompetentesten Anbieter
  7. Prozesskosten; Dokumentation der betroffenen Prozesse und Berechnung deren Kosten um das Optimierungspotential abschätzen zu können

Juristische Themen

Im nächsten Bereich stehen juristische und Compliance Themen im Vordergrund die ebenfalls berücksichtigt werden müssen:

  1. Verschlüsselung – Datensicherheit; welche Anforderungen existieren bereits im Unternehmen und welche müssen zukünftig neu berücksichtigt werden
  2. Archivierung; Unternehmen sind verpflichtet handelsrechtlich und steuerlich relevanter Daten zu archivieren, enthält die zukünftige Lösung solche Komponenten
  3. Datenklassifizierung; Welche Inhalte dürfen über die verschiedenen Kommunikationskanäle transportiert werden, welche Handelsembargos müssen berücksichtigt werden, länderspezifische Regelungen wie die Einschränkungen von Verschlüsselungen z.B. in Indien und China müssen beachtet werden
  4. Telekommunikationsgesetz (TKG); aber auch andere gesetzliche Anforderungen wie Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) müssen berücksichtigt werden, trete ich z.B. als Provider für externe Partner, Kunden oder Mitarbeiter auf
  5. Verträge; z.B. Verhandlungsergebnisse mit Provider, aber auch mit Kunden und Partner sind zu berücksichtigen
  6. Compliance im Allgemeinen; die Governance schreibt häufig die Transparenz in der Unternehmenskommunikation vor, wie können diese Anforderung abgebildet werden
  7. Service Level Agreements (SLAs) oder auch Operational Level Agreements (OLAs); End-2-End UC Service SLAs betrachten, dazu müssen vor allem in Reihe geschaltete SLAs (also z.B. WAN und Systemverfügbarkeiten) beachtet und richtig als Gesamtverfügbarkeit berechnet werden

Organisatorische und Firmenkulturelle Themen

Und im letzten Bereich stehen organisatorische und firmenkulturelle Aspekte im Vordergrund:

  1. Administration; wer betreibt was und ist für was verantwortlich
  2. Geschäftskommunikation; diese darf nicht nur firmenintern betrachtet werden, sondern auch die Einbindung von Partner und Kunden muss berücksichtigt werden
  3. Benutzerprofile; welche Use Cases existieren, ist das Unternehmen eher vertrieblich organisiert oder handelt es sich eher um ein Produktionsunternehmen
  4. Prozessoptimierung; Eigenschaften relevanter Prozesse müssen definiert werden um den „Turbo“ durch UC zu bekommen, dann können geeignete Prozesse zur Optimierung identifiziert werden, hier sollten insbesondere Prozesse mit Medienbrüchen und Applikationsintegration im Fokus stehen
  5. Training; Administration, Helpdesk und Anwender müssen sicher mit der Anwendung umgehen können um eine möglichst hohe Akzeptanz zu erhalten
  6. Altersstruktur; Unternehmen müssen Lösungen für das gesamte Spektrum der Anforderungen aus unterschiedlichen Generationen bereitstellen und dürfen sich nicht nur auf die Bedürfnisse von jungen Mitarbeiter fokussieren
  7. Betriebsvereinbarungen; welche Betriebsvereinbarungen existieren, welche müssen gegebenenfalls angepasst werden
  8. Firmenkultur; das beinhaltet die existierende Fachabteilungsstruktur und deren Einfluss, Einfluss des Betriebs-/Personalrates, welchen Stellenwert hat die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber am Arbeitsmarkt, wo im Unternehmen wird das Projekt verantwortet in der IT oder bei der TK falls diese organisatorisch getrennt sind, welchen Stellenwert hat die Telefonabteilung und welchen die IT Abteilung

Zusammenfassung

Man sieht hier handelt es sich um komplexe Themenbereiche, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Wenn Sie allerdings alle diese Themen in Ihrem Projekt berücksichtigen, steht einer erfolgreichen bedarfsgerechten Implementierung nichts mehr im Weg.

Abschließend sollen noch einmal die 5 wichtigsten Punkte für den Projekterfolg zusammenfassend dargestellt werden. Diese Punkte basieren auf meiner Projekterfahrung bei UC Implementierungen in unterschiedlichen Branchen und Firmengrößen.

  • Bedarfsanalyse; Eine Bedarfsanalyse muss ausführlich unter Einbindung aller beteiligten Bereichen durchgeführt werden. Auf diesen Ergebnissen beruht die gesamte Lösungsimplementierung
  • IST-Analyse; die IST-Analyse hilft bestehendes Potential zu erkennen und den Investitionsschutz zu gewährleisten
  • Unternehmenskultur; Sie müssen Kommunikationskanäle für das gesamte Spektrum des Anwenderverhalten bereitstellen
  • Regularien; ich empfehle die frühe Einbindung des Betriebs-/Personalrates und die Prüfung der geltenden Regularien
  • Managed Service; Managed Service sollte als adäquates Betreibermodell analog zur heutigen Telefonie zumindest im Rahmen des Projektes untersucht werden

Dieser Artikel mit seinen zwei Teilen hat dargestellt, welche Themen es für die erfolgreiche Projektdurchführung bei UC Implementierungen in Unternehmen zu betrachten gilt.

About t_bormuth

Ich bin seit über 20 Jahren in Projekten tätig und beschäftige mich sowohl mit fachspezifischen, als auch mit gesellschaftlichen Themen in diesem Kontext. Ich arbeitet als ganzheitlicher Coach im Unternehmenskontext für Projekt- und Programmmanager. Ganzheitlich bedeutet dabei für mich die Einbindung der gesamten relevanten Situation des Coachees, beruflich wie privat. Ich greife dabei auf Ausbildungen und entsprechende Zertifizierungen in den Bereichen Projektmanagement, Achtsamkeit (Mindfulness), Coaching und Psychotherapie zurück. In meiner Arbeit kombiniere ich Konzepte und Methoden aus allen diesen Bereichen entsprechend den individuellen Anforderungen der Klienten.
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